7:00 mitteleuropäische Zeit - Radolfzell
Nach einem reichhaltigen Frühstück geht es los - 500 Kilometer in 24 Stunden.
Ich starte mit gemischten Gefühlen... neben Vorfreude auf das was kommt ist da auch Angst vor meinen eigenen Grenzen, vor dem was ich nicht einkalkuliert habe und konnte...
Doch schon nach ca. 10 Minuten wischt ein gigantischer Sonnenaufgang vor Allensbach all meine Sorgen weg uns lässt mich nach 53,63km mit einem Durchschnitt von 31,80 km/h am ersten Checkpoint in Bodman-Ludwigshafen ankommen.
Meine Laune ist mehr als nur gut und ich freue mich drauf bis zum nächsten Stop Malte als Mitfahrer zu haben.
In Friedrichshafen angekommen sind schon fast 100km auf dem Tacho, ganze 40 Minuten schneller als geplant kommen wir hier an und wieder wird Energie in Form von Bananen, Datteln, Kuchen, Bärli Bieber, Nüssen und Wasser getankt. Malte steigt auf das Servicefahrzeug um und begleitet mich ab jetzt bis in die frühen Morgenstunden.
Nun geht´s an die längste Etappe. Knapp 65km bis Altenrhein, das Wetter könnte besser nicht sein aber die Schotterwege im Rheindelta ziehen Energie. Der Blick auf die Alpen, den See und die mich umgebende Natur lassen aber schnell alle Anstrengung vergessen und mich einfach nur wieder realisieren wie sehr ich liebe was ich hier gerade tue.
In Altenrhein angekommen steht das Servicefahrzeug sowie Tine und Lisa schon bereit und schenken mir, neben diversen kulinarischen Köstlichkeiten, vor allem eins: Motivation!
Nach einer etwas längeren Pause geht´s weiter Richtung Tägerwilen zu einem kurzen Stop welcher mir von einer Mitarbeiterin des Kinder und Jugenhospiz gestellt wird. Der erste Kaffee des Tages fließt hier und es geht hoch motiviert weiter Richtung Steckborn.
Langsam merke ich die erste Runde in den Beinen, aber zu wissen bald einmal um den See gefahren zu sein gibt mir unglaublich viel Energie. Dazu noch Max Raabe mit "Fahrrad fahr`n" aus den Boxen des Servicefahrzeugs lässt mich mit einem Grinsen in die letzte Etappe starten.
In Gundholzen überrascht mich meine Familie mit Winkehänden und Jubel am Straßenrand, ein unbeschreibliches Gefühl von Glück zu wissen wie viele in diesen Stunden an mich glauben und mit mir mitfiebern.
Radolfzell - ca. 17:45
Die erste Runde ist geschafft! Ich fahre bis jetzt mit einem guten 28 km/h Schnitt und bin mehr als zufrieden und schwinge mich ca. 30 Minuten später wieder auf's Rad um in die nächste Runde zu starten.
Wieder komme ich ins grübeln was die Nacht wohl bringen wird, natürlich merke ich die 250km in den Beinen, spüre wie meine Energie nur noch bei 85% liegt. Aber hey, wenn ich's bis hierhin schaffen kann, schaffe ich auch den Rest.
In Konstanz steigt Jannik mit ein, er begleitet mich nun eine ganze Runde durch die Nacht. Ich bin froh darum nicht mehr alleine fahren zu müssen und jemanden zu plaudern zu haben.
Die nächsten Checkpoints vergehen wie im Flug, die Nacht umschließt uns in Gänze und ich starre gebannt in den Lichtkegel meiner Lampe um mich nicht doch noch irgendwo zu verfahren.
Es wird stiller, die Straßen leerer und kurz vor Lindau passiert das, was ich gehofft habe nicht erleben zu müssen. Der Himmel öffnet seine Schleusen und wir bekommen eine zwar ersehnte aber viel zu kalte Dusche.
Das ist hart für die Nerven aber motiviert auch wieder weiter zu machen und auch das durchzustehen.
In Bregenz sind die Wasserlachen teils schon zentimetertief und meterlang. Eine Herausforderung im Halbdunkel hinter der nassen Brille noch Wege und Fahrbahnmarkierungen zu erkennen.
Aber irgendwann ist es geschafft. Altenrhein ist erreicht und unter dem Schutz einer Tankstelle gibt es Brühe und ein halbwegs windgeschütztes Auto.
Es wird saukalt! Mit zitternden Händen packe ich meinen Rucksack wieder und wappne mich für die letzten zwei Etappen.
Mit Jannik vor mir geht es wieder auf die Straße, wieder in die Pedale treten, wieder in den Lichtkegel der Lampe schauen und wieder warten bis die Muskeln warm werden und die Bewegungen flüssig.
Der Regen hört auf... Es ist still, fast schon unheimlich still. Die einzigen Geräusche sind mein eigener Atem und Janniks kaputtes Tretlager was leise vor sich hin knackt. Nachts durch leere Städte zu fahren hat einen ganz eigenartigen Charakter, der mich irgendwie erdet und entspannt.
Nach einem Stop in Tägerwilen bei Kaffee und köstlichem selbstgebackenen Lachsbrot geht es ein letztes mal nach Steckborn, ein letztes mal in Stein am Rhein über die Brücke, in Öhningen über die Grenze und ich bin auf dem Weg nach Hause.
Die Müdigkeit überkommt mich langsam aber stetig, ich merke wie die Beine auf Autopilot schalten und auch der Kopf sich immer wieder in den Ruhemodus begeben will. Auf die meisten Fragen die mir Jannik stellt bleibe ich die Antwort schuldig. Ich will nur noch treten und Meter für Meter nach Hause radeln...
Radolfzell - ca. 6:10 Sonntag 07.09.2020
Ich bin zurück, doch mein Tacho sagt mir, dass noch knappe 4 km bis zur magischen 500km Marke fehlen. Also noch eine Extrarunde durch Radolfzell drehen und im Sprint ins Ziel einfahren.
Es ist geschafft!!! Nach 18 Stunden und 21 Minuten reiner Fahrzeit, einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 27,3 km/h, 2740 Höhenmetern und 23,5 Stunden unterwegs bin ich 501,29 Kilometer gefahren.
Ich bin fasziniert wie belastbar ich bin, wieviel mein Körper und meine Psyche aushält und zu leisten in der Lage ist.
Aber eins weiß ich bestimmt. Ich hätte das alles nie geschafft wenn mich nicht all die Menschen unterstützt hätten. Daher nochmal allen voran ein RIESIGES DANKESCHÖN an:
Larissa, Malte, Jannik, Kim, Tine, Lisa, Petra, meine Familie und natürlich alle die an das was ich tue geglaubt haben. DANKE EUCH!
Jetzt genießt noch ein paar Impressionen der Fahrt.
JAN
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